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Wandbild Standort: Berliner Straße 1, 13187 Berlin, "Pankower Marktleben" (Datierung: 1987), Künstler: Dieter Gantz (1932–2018)
Standort: Berliner Straße 1, 13187 Berlin, "Pankower Marktleben" (Datierung: 1987), Künstler: Dieter Gantz (1932–2018) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Caroline Warth

Berliner Brandmauern - Kunst am Bau in der DDR und heute

Ob steinzeitliche Höhlenmalerei, Antike Mosaike, Michelangelos Freskomalereien, mexikanische „Murales“ oder Graffiti an Berliner Brandmauern – Wandmalerei ist eine uralte Tradition und noch immer brandaktuell. Diese Tour ist den großflächigen Kunstwerken gewidmet, die das Berliner Stadtbild prägen. Sie gibt interessante Einblicke in die Biografien von Künstler*innen, Entstehungsgeschichten der Kunstwerke und historische Zusammenhänge. Berliner Brandmauern und Häuserfassaden dienten in der DDR als Fläche für politische Propaganda, wurden und werden zu Werbezwecken genutzt oder sind Wahrzeichen der Kieze. Auch in der DDR wurden Künstler*innen mit der bildkünstlerischen Ausstattung von Verwaltungs-, Kultur- und Sozialbauten beauftragt. So entstanden zahlreiche aussagekräftige Wandbilder, die die Zeit überdauern. Manche wurden zerstört und immer neue entstehen. Sie alle haben eines gemein: jeder kann sie sehen.

Flyer Fahrradtour Berliner Brandmauern
Berliner Brandmauern © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V.

Station 1, Startpunkt: "Pankower Marktleben" (Datierung: 1987), Künstler: Dieter Gantz (1932–2018)

Wandbild Standort: Berliner Straße 1, 13187 Berlin, "Pankower Marktleben" (Datierung: 1987), Künstler: Dieter Gantz (1932–2018)
Standort: Berliner Straße 1, 13187 Berlin, "Pankower Marktleben" (Datierung: 1987), Künstler: Dieter Gantz (1932–2018) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Caroline Warth

Standort: Berliner Straße 1, 13187 Berlin, "Pankower Marktleben" (Datierung: 1987), Künstler: Dieter Gantz (1932–2018)

Bunte Formen und verschiedentliche Figuren verleihen dem Wandbild Dynamik. Konzentrische Farbkreise legen den Fokus auf die Marktszene. Alles scheint sich um den Markt im Zentrum zu drehen. Umgeben von Menschen, Tieren, Musikanten und Akrobaten erzählt die Marktszene vom Pankower Leben, von Sport, Kultur und Kunstschaffenden, die dort anzutreffen waren. Das Motiv bezieht sich auf den Pankower Wochenmarkt in der Breite Straße, der bis heute der älteste noch existierende Wochenmarkt Berlins ist. Das üppig erscheinende Büschel Bananen am Fuß des Marktstands kann als deutlicher Hinweis auf die schwierige Versorgungslage in der DDR verstanden werden, die nicht nur Südfrüchte betraf.

Dieter Gantz studierte von 1951 bis 1957 Malerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Anschließend machte er sein Diplom an der Hochschule der Künste. Danach war er freischaffend als Künstler in Berlin tätig und stellvertretender Vorsitzender der Bezirksorganisation des Verbandes Bildender Künstler der DDR (VBK). Ab Anfang der 1980er Jahre nahm er eine Lehrtätigkeit an Kunsthochschule Berlin-Weißensee auf. 1985 wurde ihm der Kunstpreis der DDR verliehen. Nur vier Jahre später kritisierte der Künstler die DDR-Führung in einem offenen Brief.

Station 2: Reliefs an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee (1955), Künstler: Jürgen von Woyski (1929–2000)

Reliefs an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee
Reliefs an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Caroline Warth

Standort: Bühringstraße 20, 13086 Berlin, Reliefs an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee (1955), Künstler: Jürgen von Woyski (1929–2000)

Der Wandfries ist rechts und links des Eingangsbereichs angebracht und in jeweils sechs Relieftafeln aus Keramik untergliedert. Sie geben Einblicke in das Studium und die Lehre, verschiedener Klassen und Werkstätten an der Kunsthochschule für angewandte Kunst. Auf der linken Seite sind in den oberen beiden Reliefs Szenen aus dem Studium der Bildhauerei (links) und Plastik (rechts) zu sehen. Darunter ist eine Vorlesung (links) und Studierende beim Anfertigen von Zeichenstudien (rechts) dargestellt. Die beiden unteren Reliefs zeigen weitere Szenen aus dem Studium an der Kunsthochschule. Auf der rechten Seite sind oben eine Aktklasse (links) sowie eine Szene aus einer Malereiwerkstatt dargestellt. Mittig werden Einblicke in die Keramikwerkstätten gegeben. Unten ist das Architekturstudium in Theorie und Praxis dargestellt. Die Reliefs entstanden im Rahmen der Diplomarbeit des Künstlers, mit der er sein Bildhauereistudium 1955 bei Fritz Koelle und Heinrich Drake abschloss. Von 1981 bis 1986 lehrte er als Leiter der Abteilung Baukeramik an dieser Kunsthochschule.

An der Kunsthochschule Berlin-Weißensee wurden Architektur, Gebrauchsgrafik, industrielle Formgestaltung, Keramik, Modegestaltung, Textil- und Flächendesign, Malerei, Bildhauerei, Bühnen- und Kostümbild gelehrt. In Orientierung am Bauhaus, wurde hier außerdem die Fächerverbindung von Architektur und Bildender Kunst angeboten.

Station 3: Natur- und Tierbilder (1978), Künstler*in: Antje Fretwurst-Colberg (*1940), Friedrich-Wilhem Fretwurst (*1936)

Standort: Falkenberger Straße 30, 13088 Berlin, Spielplatz hinter dem Haus, Natur- und Tierbilder (1978), Künstler*in: Antje Fretwurst-Colberg (*1940), Friedrich-Wilhem Fretwurst (*1936)
Standort: Falkenberger Straße 30, 13088 Berlin, Spielplatz hinter dem Haus, Natur- und Tierbilder (1978), Künstler*in: Antje Fretwurst-Colberg (*1940), Friedrich-Wilhem Fretwurst (*1936) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Alina Noll

Standort: Falkenberger Straße 30, 13088 Berlin, Spielplatz hinter dem Haus, Natur- und Tierbilder (1978), Künstler*in: Antje Fretwurst-Colberg (*1940), Friedrich-Wilhem Fretwurst (*1936)

Antje Fretwurst-Colberg und Friedrich-Wilhelm Fretwurst wurden 1978 mit der Gestaltung des Spielplatzes zum Thema „Aus der Welt des Kindes“ beauftragt. Der Spielplatz ist von sieben Betonblöcken umrandet, deren Flächen mit bunt lasierten Keramikfeldern gestaltet sind, die Tier- und Naturbilder zeigen. Die überaus bunt und ansprechend gestalteten Darstellungen zeigen verschiedene Motive aus der Natur sowie Szenen aus dem Leben der Menschen und schaffen auf dem Spielplatz eine für Kinder anregende Umgebung. Einzelne Motive sind überdimensioniert dargestellt, andere wiederum unverhältnismäßig klein. Die unterschiedlichen Kompositionen entwarf das Künstlerpaar mithilfe von Papiercollagen. Daraufhin wählten sie die Farben für ihre Kompositionen aus und lasierten die Keramik, bevor diese gebrannt wurde.

Friedrich-Wilhelm Fretwurst und seine Frau Antje Fretwurst-Colberg haben sich beim Studium der Kunsterziehung an der Universität Greifswald kennengelernt. Nach ihrer Lehrtätigkeit in Greifswald und Berlin studierten beide ab Mitte der 1960er Jahre Malerei und Grafik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Wo Friedrich-Wilhelm Fretwurst von 1970 bis 1975 lehrte. Beide waren bis kurz nach der Wende Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR (VBK) und freiberuflich tätig.

Station 4: Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich einen Apfelbaum pflanzen (2015), Künstler*in: Herakut

Standort: Greifswalder Straße 87–88, 10409 Berlin, Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich einen Apfelbaum pflanzen (2015), Künstler*in: Heraku
Standort: Greifswalder Straße 87–88, 10409 Berlin, Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich einen Apfelbaum pflanzen (2015), Künstler*in: Heraku © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V.

Standort: Greifswalder Straße 87–88, 10409 Berlin, Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich einen Apfelbaum pflanzen (2015), Künstler*in: Herakut

Das Künstlerduo Herakut gestaltete die Brandmauer des Wohnblocks, in dem die Heinrich-Böll-Bibliothek untergebracht ist. Auf dem Schoß einer jungen Frau sitzt ein kleines Kind. Die Frau hat ihre Hand auf den Kopf des Kindes gelegt, während sie einander anblicken. Im Rücken der Frau befindet sich ein weiteres Kind. Die Haare der Kinder formen sich zu baumähnlichen Auswüchsen während sich an anderen verzweigten Ästen kleine Blüten befinden. Die Kinder sind der blühende Nachwuchs, die Apfelbäume unserer Zukunft. Der Titel – ein Zitat des Reformators Martin Luther – steht in zahlreichen Übersetzungen an der Wand. Sie sind Ausdruck der Vielfalt im Kiez sowie in ganz Berlin und sollen ein Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln.

Seit 2004 arbeitet das Graffiti-Künstlerduo unter dem Pseudonym „Herakut“. Jasmin Siddiqui alias Hera ist für die Ausführung verantwortlich. Konzeption, Zeichnungen und Textarbeit stammen von dem Falk Lehmann alias Akut. Ihre Kunst im öffentlichen Raum beschreibt Herakut als „Öffentlichkeitsarbeit“. Das Wandbild entstand im Rahmen eines Projekts des Urban Nation Museum For Contemporary Art in Berlin Schöneberg unter dem Motto „One Wall – eine Wand, eine Botschaft“.

Station 5: fragen! Künstlerin: Karla Sachse (2005)

Standort: Prenzlauer Allee 70,10405 Berlin, fragen! Künstlerin: Karla Sachse (2005)
Standort: Prenzlauer Allee 70,10405 Berlin, fragen! Künstlerin: Karla Sachse (2005) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Alina Noll

Standort: Prenzlauer Allee 70,10405 Berlin, fragen! Künstlerin: Karla Sachse (2005)

Auf dem heutigen Bezirksamtsgelände befindet sich die Kunstinstallation "fragen" - schwarze Acrylglasbänder mit weißer Schrift, ziehen sich um das gesamte Gebäude. Auf 320 Metern hat die Künstlerin 61 Fragen eingearbeitet. Diese Fragen erinnern an die frühere Nutzung des Ortes. Erst nach der Wende 1990 kam ans Licht, dass sich hier eine vom sowjetischen Geheimdienst NKWD betriebene Haftstätte mit 40 Zellen befand, welche anschließend vom Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) bis ca. 1956 betrieben wurde. Unter menschenunwürdigen Bedingungen saßen hier überwiegend ehemalige Nazi- und Kriegsverbrecher aber auch Gegner*innen der Besatzungsmacht und der Zwangsvereinigung der KPD und der SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ein. Mit den Fragen, die sich Sachse beim Lesen von Verhörprotokollen stellte, erinnert sie an die Gräueltaten der Vergangenheit aus dieser Zeit.

Karla Sachse lebt und arbeitet in Berlin Prenzlauer Berg. Ende der 1960er Jahre kam sie zum Studium der Kunstpädagogik an der Humboldt-Universität nach Berlin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie als Lehrerin und war künstlerische Mitarbeiterin im Studio Bildende Kunst in Berlin-Lichtenberg. Seit Ende der 1980er Jahre beschäftigt sie sich zunehmend mit visueller Poesie. Die künstlerischen Arbeiten der Installations- und Konzeptkünstlerin umfassen Rauminstallationen und Kunst im öffentlichen Raum.

Station 6: Suia (2016), Künstler: Askew One

Standort: Greifswalder Straße 87–88, 10409 Berlin, Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich einen Apfelbaum pflanzen (2015), Künstler*in: Herakut
Standort: Greifswalder Straße 87–88, 10409 Berlin, Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich einen Apfelbaum pflanzen (2015), Künstler*in: Herakut © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Caroline Warth

 Standort: Stargarder Str. 82, 10437 Berlin, Suia (2016), Künstler: Askew One

Im Rahmen des Urban Nation One Wall Projects gestaltete der neuseeländische Street-Art-Künstler Askew One 2016 die Fassade dieses Wohnhauses in Prenzlauer Berg. Vor einem dunklen Hintergrund zeichnet sich das Gesicht einer jungen Frau ab. Mit dem Porträt von Suia, einer in Deutschland lebenden Samoanerin und Freundin des Künstlers, gelang ihm eine Verbindung zwischen Deutschland und seiner Heimat Auckland herzustellen.

Das Dreiviertelporträt, das wie eine feine Kreidezeichnung wirkt, scheint sich auf der rechten Seite aufzulösen. Die im Schatten liegenden Gesichtspartien sind durch deckende sowie transparente Farbakzente in blau, türkis und pink gestaltet und erinnern zum einen an indigene Gesichtsbemalung, zum anderen an moderne Pop-Art-Drucke. Die freundlichen Augen sind von transparent-roten Dreiecken überlagert bzw. hinterfangen. Über das gesamte Porträt legt sich ein leuchtend grünes Band.

Der neuseeländische Urban-Artist Askew One ist vor allem für seine Graffitiarbeiten bekannt. Er ist treibende Kraft der Street-Art-Szene seiner Heimatstadt Auckland und Teil der bekannten MSK-Crew. Im Laufe der Zeit entwickelte der Graffiti-Künstler seinen ganz eigenen Stil, in dem er figuratives und abstraktes verbindet. „Porträts mit alternativen Möglichkeiten“ nennt er seine Ausdrucksform.

Station 7: Dedicated to (2017), Künstler: Various & Gould

Standort: Oderberger Str. 57, 10435 Berlin, Dedicated to (2017), Künstler: Various & Gould
Standort: Oderberger Str. 57, 10435 Berlin, Dedicated to (2017), Künstler: Various & Gould © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Alina Noll

Standort: Oderberger Str. 57, 10435 Berlin, Dedicated to (2017), Künstler: Various & Gould

Im Hinterhof des Hotels Oderberger mit dem historischen Stadtbad befindet sich dieses Wandbild. Eine junge Frau mit fragmentarischem Körper steigt mit großen Schritten aus einem riesigen Buch heraus. Mit einem Bein noch auf den blauen Buchdeckel, mit dem anderen schon im nächsten oder übernächsten Kapitel, durchwandert und überwindet sie die bunten Seiten. Sie trägt einen modernen Haarschnitt und ein lässiges Basecap. In der einen Hand hält sie einen Putz- oder Farbeimer, in der anderen einen abgerissenen Schornstein aus dem Rauch aufsteigt. Ihr gesenkter Blick ist nach vorn auf den Regenbogen gerichtet. Dieser zieht sich in verschiedenen Farben durch die Kapitel und gibt die Marschrichtung vor. In diesem „Bildband“ wird erzählt von körperlicher Arbeit, künstlerischem Schaffen, industrieller Produktion und technischem Fortschritt. Am rechten Rand entleert sich eine Regenwolke in dicken Tropfen vor dem dunklen Hintergrund. Die Protagonistin scheint noch nicht am Ende des Regenbogens zu sein.

„Dedicated to“ ist Teil der Serie „Rabotniki“ (Russisch: Arbeiter), in der sich Various & Gould mit der gesellschaftlichen Bedeutung von Arbeit, Veränderungen der Arbeit und persönlichen Erfahrungen kritisch auseinandersetzen. Die in Berlin lebenden Künstler von Various & Gould arbeiten seit 2005 als Duo. Beide haben 2010 ihr Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee absolviert. In ihren Arbeiten setzen sie sich mit sozialrelevanten Themen wie Arbeit, Migration, Gender, Tod, Globalisierung und Religion auseinander. Ihre Werke sind beeinflusst von Plakatgrafik, Dada und Pop Art.

Station 8: The Wrinkles of the City, Herr ZYIA (2013), Künstler: JR (*1983)

Standort: Torstraße 1, 10119 Berlin, The Wrinkles of the City, Herr ZYIA (2013), Künstler: JR (*1983)
Standort: Torstraße 1, 10119 Berlin, The Wrinkles of the City, Herr ZYIA (2013), Künstler: JR (*1983) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Alina Noll

 Standort: Torstraße 1, 10119 Berlin, The Wrinkles of the City, Herr ZYIA (2013), Künstler: JR (*1983)

Der französische Fotograf und Street-Art-Künstlers JR ist international bekannt für riesige Fotocollagen expressiver Porträtfotografien. „Herr ZYIA“ ist eines von über 15 Wandbildern in Berlin, mit denen der Künstler 2013 sein internationales Projekt „The Wrinkles of the City“ („Die Falten der Stadt“) fortsetzte. Das Gesicht des älteren Mannes ist gezeichnet vom Leben. Mit erhobenen Händen hat er etwas ins Auge gefasst. Sein scharfer, ernster Blick wirkt beunruhigend. Für seine Berliner Serie porträtierte JR ältere Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Sie haben ihre Geschichte, die Wende und den Wandel Berlins erlebt. Die Schwarz-Weiß-Fotografien sind ungeschönt, ausdrucksstark und stellen eine unmittelbare Nähe zu den würdevoll Porträtierten her. Für die Fotocollagen wählt der Künstler historische Gebäude aus. Sie prägen das Gesicht der Stadt und zeugen, ebenso wie die Gesichter der porträtierten Menschen, von der Entwicklung und Veränderung Berlins. Die Falten der Gebäude und der Leute in den Städten einen die Serien des bereits in verschiedenen Städten weltweit realisierten Projekts. Alte Menschen verschwinden mehr und mehr aus dem Blickfeld von Gesellschaften. Mit ihren Porträts rückt JR sie zurück in unser Blickfeld.

JR bindet Menschen in den künstlerischen Schaffensprozess seiner partizipativen Projekte ein. Seine Anonymität erlaubt es ihm, Themen frei zu wählen, während Akteur*innen, Performer*innen oder Passant*innen seine Arbeiten mit gestalten und formen können.

Station 9: Unser Leben (1964), Künstler: Walter Womacka (1925–2010)

Standort: Haus des Lehrers, Alexanderstraße 9, 10178 Berlin, Unser Leben (1964), Künstler: Walter Womacka (1925–2010)
Standort: Haus des Lehrers, Alexanderstraße 9, 10178 Berlin, Unser Leben (1964), Künstler: Walter Womacka (1925–2010) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Caroline Warth

Standort: Haus des Lehrers, Alexanderstraße 9, 10178 Berlin, Unser Leben (1964), Künstler: Walter Womacka (1925–2010)

Am „Haus des Lehrers“ befindet sich der Mosaikfries „Unser Leben“ von Walter Womacka. Mit 7 m Höhe und insgesamt 127 m Länge ist das monumentale Wandbild eines der größten Kunstwerke Europas. Der umlaufende Fries erstreckt sich über zwei Stockwerke des Gebäudes und setzt sich aus über 800.000 bunten Mosaiksteinen und diversen Metallplatten zusammen. Die bunten, schwarz konturierten Darstellungen zeigen vorbildhafte und zukunftsorientierte Szenen aus dem gesellschaftlichen Leben von Bürger*innen der DDR.

Der Fries ist in vier Themenbereiche gegliedert: An der Nordseite sind futuristisch anmutende Darstellungen aus dem Themenbereich Wissenschaft und Forschung zu sehen. Die Ostseite steht für Vielfalt und Völkerfreundschaft. Die Südwand thematisiert das Nebeneinander unterschiedlicher Berufsgruppen. Die Westseite zeigt Alltagsszenen aus Familie, Bildung und Erziehung, Industrie und Landwirtschaft. Ein Paar im Zentrum verweist nicht nur auf die Friedenstaube, sondern auch auf das Symbol der Kernenergie, welches plastisch hervorgehoben ist.

Das Gebäude wurde zwischen 1961–1964 nach Entwürfen des Architekten Hermann Henselmann errichtet und war das erste Hochhaus am Alexanderplatz. Im Rahmen der Verordnung zur „Kunst am Bau“ lobte das Kulturministerium der DDR einen Wettbewerb aus. Als zentraler und repräsentativer Platz im Ostteil der Stadt, sollte die architektur- bezogene Kunst politische Botschaften propagieren. Nachdem Womackas Entwurf zunächst abgelehnt worden war, weil die marxistische Ideologie nicht ausreichend zum Ausdruck kam, entstand das Wandbild in einer Zusammenarbeit.

Walter Womacka gilt als einer der einflussreichsten Künstler der DDR. In dieser Zeit schuf er überwiegend architekturgebundene Arbeiten, monumentale Wandmalereien und bedeutende Kunstwerke im öffentlichen Raum. Der „Brunnen der Völkerfreundschaft“ (1969/70) auf dem Alexanderplatz wurde ebenfalls von Womacka entworfen.

Nach seiner Lehre zum Dekorationsmaler studierte er Baukunst und Bildende Künste in Weimar und Dresden. Ab 1953 lehrte Womacka an der Kunsthochschule Berlin- Weißensee und war zwischen 1968– 1988 Rektor der Hochschule. Während seine Arbeiten in der Zeit der DDR deutlich vom sozialistischen Realismus geprägt waren, ist nach der politischen Wende ebenso eine künstlerische Wende im Schaffen des Künstlers zu beobachten: In überwiegend graphischen Arbeiten wird Womackas große Verehrung für Pablo Picassos sichtbar. Anfang der 1950er Jahre, während der „Formalismusdebatte“, wurden westliche Vertreter*innen modernistischer, subjektivistischer und abstrakter Kunst im kulturpolitischen Diskurs der DDR öffentlich kritisiert. Ihre formalistische Kunst galt als antidemokratisch, dekadent und bürgerlich. Im „Kampf gegen den Formalismus“ wurde eine realistische, volkstümliche, politische Kunstproduktion durch die DDR-Kulturpolitik gefordert und gefördert. Davon profitierte auch Womacka, der als SED-Mitglied von Staats- und Parteichef Walter Ulbricht maßgeblich gefördert wurde und von 1959 bis 1988 selbst Vizepräsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR (VBK) war. Walter Womacka sagte einmal „Jede Kunst ist politisch – selbst die banale.“

Station 10: Die Sonne wird im Ozean versinken (2017), Künstler: Ricky Lee Gordon (*1984)

Standort: Landsberger Allee 121, 10407 Berlin, Die Sonne wird im Ozean versinken (2017), Künstler: Ricky Lee Gordon (*1984)
Standort: Landsberger Allee 121, 10407 Berlin, Die Sonne wird im Ozean versinken (2017), Künstler: Ricky Lee Gordon (*1984) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Caroline Warth

Standort: Landsberger Allee 121, 10407 Berlin, Die Sonne wird im Ozean versinken (2017), Künstler: Ricky Lee Gordon (*1984)

Der südafrikanische Künstler Ricky Lee Gordon gestaltete im Rahmen von „One Wall“ 2017 die Giebelfassade der Landsberger Allee 121. Das Wandbild sorgt für Irritationen: Ein Pferd steht inmitten eines überfluteten Interieurs. Mit gespitzten Ohren blickt der Schimmel ruhig in Richtung der Betrachtenden. Bis zum Bauch steht er im glitzernden Wasser. Mehrere weiße Tauben flattern durch das Fenster in den Raum. Das alte Interieur und starke Kontraste erwecken den Eindruck, dass es sich hierbei um eine alte Schwarz-Weiß-Fotografie handelt. Die fotorealistische Darstellung wird von seinem surrealen Inhalt konterkariert und zu einem Traumbild verschmolzen. Gordon bricht mit Raum und Zeit und zwingt die Frage auf: Was ist real und was nicht? Das Mural steht für Hoffnung, den Widerstand der Natur gegenüber der Zerstörung durch die Menschen und der Machtlosigkeit des Menschen gegenüber der Natur.

Der südafrikanische Künstler Ricky Lee Gordon ist weltweit tätig und bekannt für seine Murals. Seit 2014 widmet sich der Autodidakt ausschließlich der Malerei und zog 2016 für sein Studium der Malerei nach Los Angeles. In seinen Arbeiten verhandelt Ricky Lee Gordon relevante soziale Themen oder das Zusammenspiel von Mensch und Natur.

Station 11: Lebens(t)räume Lichtenberg (2012), Künstler: Christian Awe (*1978)

Standort: Frankfurter Allee 192, 10365 Berlin, Lebens(t)räume Lichtenberg (2012), Künstler: Christian Awe (*1978)
Standort: Frankfurter Allee 192, 10365 Berlin, Lebens(t)räume Lichtenberg (2012), Künstler: Christian Awe (*1978) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Alina Noll

Standort: Frankfurter Allee 192, 10365 Berlin, Lebens(t)räume Lichtenberg (2012), Künstler: Christian Awe (*1978)

Kommt man stadteinwärts, über die Lichtenberger Brücke, blickt man auf die Stadtkulisse mit dem Fernsehturm und eine ungewöhnlich auffällige Fassade, die sich in strahlendem Blau und sattem Rot von dem Grau der betonierten Umgebung absetzt: „Lebens(t)räumeLichtenberg“ ist das Werk von Christian Awe. Der Street-Art-Künstler wurde im Rahmen des Projekts „Lichtenberg Open ART“, einer Initiative für Kunst und Bildung der Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE, für die Gestaltung der Giebelfassade des Wohnhauses ausgewählt.

Über den leuchtend blauen Hintergrund der wie ein Himmel erscheint, ergießen sich plastische Spritzer in kräftigem Rot. Die spritzerartigen Farbakzente erinnern an Lava oder Blut und symbolisieren das pulsierende Leben in Berlin. Der blaue Hintergrund steht hier – in unmittelbarer Nähe zur ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (Stasi) und an der einstigen Straße der Befreiung – für die Sehnsucht nach Freiheit und Kreativität. Awe lässt so viel Spielraum für freie Assoziationen und Interpretationen. Aus unmittelbarer Nähe betrachtet, finden sich in dem Fassadengemälde außerdem lauter kleine Details. Tagsüber scheint der himmelblaue Hintergrund mit der Umgebung zu verschmelzen. Bei Dunkelheit, wenn die Halogenspots die Fassade beleuchten, erscheint die dynamisch-rhythmische Farbkomposition in neuem Licht.

Christian Awe lebt und arbeitet in Berlin. In Lichtenberg aufgewachsen, begann er schon früh, mit Farbe zu experimentieren und malte als Jugendlicher Graffitis. Er studierte an der Universität der Künste (UdK) in Berlin bei Georg Baselitz und war Meisterschüler von Daniel Richter. Der sozial engagierte Künstler legt Wert darauf, Kunst für alle öffentlich zugänglich zu machen. Die Stadt und ihre Menschen sind seit jeher eine Inspirationsquelle für den international bekannten Maler.

Station 12 und Schluss der Tour: Nicaraguanisches Dorf – Monimbó (1987), Künstler: Manuel Garcia Moia (*1936)

Standort: Skandinavische Straße 26, 10317 Berlin, Nicaraguanisches Dorf – Monimbó (1987), Künstler: Manuel Garcia Moia (*1936)
Standort: Skandinavische Straße 26, 10317 Berlin, Nicaraguanisches Dorf – Monimbó (1987), Künstler: Manuel Garcia Moia (*1936) © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V. Foto: Alina Noll

Standort: Skandinavische Straße 26, 10317 Berlin, Nicaraguanisches Dorf – Monimbó (1987), Künstler: Manuel Garcia Moia (*1936)

Dieses farbenfrohe Wandbild ist ein Werk des lateinamerikanischen Künstlers Manuel Garcia Moia. Die detailreiche Darstellung zeigt Szenen aus dem täglichen Leben der indigenen Bewohner*innen von Monimbó, einem ländlichen Viertel der Stadt Masaya, die am Fuße des gleichnamigen Vulkans im Südwesten Nicaraguas liegt. Auf den ersten Blick wirkt die narrative Ansicht wie ein Idyll. Dochin dem beschaulichen Dorf ist Chaos ausgebrochen und es spielen sich dramatische Szenen ab: Bewaffnete Soldaten fallen in das Dorf ein, bedrohen die Bewohner*innen. Bewaffnete Männer versuchen Monimbó zu verteidigen.

Moias Mural, das er mit Unterstützung von Martin Hoffman und Trakia Wendisch malte, ist eine künstlerische Momentaufnahme der Geschehnisse, welche sich in Monimbó – dem Heimatort des Künstlers – zugetragen haben: Am 20. 02. 1978 kam es hier zu einem Aufstand der indigenen Bevölkerung gegen das diktatorische Somoza-Regime, bei deren gewaltvoller Niederschlagung 343 der Bewohner*innen durch Somozas Söldner getötet wurden. Die politischen Parolen an den Fassaden der weiß getünchten Häuser im Vordergrund „SANDINO VIVE VIVE“, „VIVA FSLN“ und „GPP“ beziehen sich auf Augusto César Sandino, den Kopf des nicaraguanischen Widerstandes gegen die US-Besatzung während des Bürgerkriegs 1927. Die Nicaraguanische Revolution wurde von der DDR- Regierung unterstützt.

1985 beauftragten das Kulturministerium der DDR und der Ost-Berliner Magistrat den Künstler mit der Gestaltung der Fassade. Auch das Wandbild war Um- bzw. Abbrüchen unterworfen. 2003 verschwand das Original von Moia – ein monumentales Werk der naiven Malerei – hinter einer Wärmedämmung. Eine Bürger*innen-Initiative setzte sich für die Rekonstruktion ein, die 2004/2005 durch Gerd Wulff und Max Michael Holst erfolgte und von Moia eigenhändig signiert wurde. Aufgrund von Baumängeln musste die gesamte Fassade erneuert werden, wobei die Rekonstruktion nicht erhalten blieb. Schließlich wurde die Ansicht von Monimbó 2019 durch die Künstlergruppe um Halim Bensaid und Steve Rolle zum dritten Mal an die Giebelfassade mit einer Fläche von 255 qm gemalt.

Manuel Garcia Moia wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und war Autodidakt. Aufgrund seiner Begabung konnte er bei dem bekannten nicaraguanischen Maler Rodrigo Peñalba studieren. Moia erlangte als Vertreter der naiven Malerei internationale Aufmerksamkeit. Weltweit schuf der Nationalpreisträger Wandbilder, von denen leider nur noch dieses und ein weiteres in Managua erhalten blieben.

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QRCodeBrandmauern © Tourismusverein Berlin-Pankow e.V.